/Tauchgang (Textauszug)

Die Zukunft begann schon am nächsten Morgen. Von der anderen Seite des Willeschen Hauses schallerte ab sieben ein Presslufthammer herüber. Eine Stunde später begann der Aushub auf dem Feld mit einem penetranten Rumpeln. Den Bagger hatte Volati noch am Abend ins Dorf karren lassen. Ich hatte gehofft, von der Umgestaltung nichts mitzubekommen. Aber selbst mit abgedichteten Ohren konnte ich den Bodenerschütterungen nicht entkommen. Ich drückte mich also im Dorf herum, lief die Hauptstraße hoch und runter oder starrte in meiner Hütte auf das weiße Blatt. Nach drei Tagen hörte das Zittern von einer Minute zur anderen auf. Erschrocken lief ich zur Baustelle.

Volati stand auf dem Acker, der Bagger war an den Feldrand gerollt, neben dem künftigen Tauchbecken türmte sich der Aushub.
„Ist Kreta schon pleite“, fragte ich. Volati lächelte.
„Ich wollte Ihre Arbeit nicht länger behindern“, sagte er. Wir standen am Rand der Grube, ein quadratisches Loch, in dem unter der grauen, vertrockneten Erdschicht graue Sedimente frei lagen.
„Waren Sie schon mal auf Kreta“, fragte er unvermittelt. Ich schüttelte den Kopf. „Zitronenhaine, ewige Sonne, Drillingsblumen wohin man schaut.“ Wir starrten in die Grube.
„Wissen Sie, Kreta“, fuhr er fort, „das ist die Wiege allen Wünschens. Wo Kreta ist, da ist Hoffnung.“
„Greifen Sie da nicht ein bisschen zu hoch?“
„Man kann nie hoch genug hinauswollen“, antwortete er und zwirbelte an seinem Tuch.
„Wie sind Sie eigentlich auf Suhtleben gekommen“, fragte ich. Volati stieß mit der Turnschuhspitze in die Erde, Bröckchen flogen hinab.
„Sehen Sie? Nichts. Tot. Kein Grundwasser. Nicht mal eine Pfütze. Ohne künstliche Bewässerung läuft hier nichts mehr. Bald wird in Suhtleben nichts Verwertbares mehr wachsen. Deshalb leiten wir das Wasser aus dem Becken auf die Äcker, Sie werden sehen, wie es hier wieder blühen wird.“ Ich schaute über den Acker und sah nichts, als eine weite, staubige Fläche. Volati blinzelte in die Sonne.

Das erste Gebäude, das in die Grube fuhr, war Gleimckes Wiesenscheuer. Die Bauarbeiter hatten den Holzschuppen zerlegt, Volati gab ihnen Anweisung, wie daraus kretische Baukunst werden sollte. Gleimcke und die anderen Bauern priesen sein Genie, tatsächlich kommandierte er nur, wo Gips dran sollte. Den Leuten kam alles kretisch vor, was nicht aussah wie hier.

Als Holzwände und Dach verputzt waren, ließ der Kran die Einzelteile hinab. Unten gipsten die Bauarbeiter die Nähte zusammen und strichen die Fensterrahmen blau. Vor das Holztor zementierten sie Papp-Amphoren, das Ganze wurde mit einer wasserbeständigen Kunststoffschicht für die Ewigkeit präpariert.

 

 

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